Bericht zum 6. Workshop des Netzwerk Terrorismusforschung (05.-06.02.2010, Münster)

Bericht des sechsten Workshops

Gemeinsamer Workshop des „Netzwerks Terrorismusforschung“ und der AG „Konflikte im Spannungsfeld von Religion und Politik

Der interdisziplinäre Ansatz beider Kooperationspartner brachte Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher aus den unterschiedlichsten Fächern zusammen, darunter Geschichts-, Religions-, Sozial-, Rechts-, Literatur- und Filmwissenschaft sowie Kunstgeschichte und Philosophie. Dabei zeigten sich schnell viele inhaltliche Überschneidungen zwischen der AG und dem Netzwerk. Nach dem somit sehr erfolgreichen Workshop traten alle Teilnehmer um viele Ideen, Anregungen und neue Kontakte reicher den Heimweg an, um bei zukünftigen Workshops die Diskussion fortzuführen.

Der Vortrag von Mathias Buhtz behandelte das Thema „Wittgenstein und das Verhältnis von Religion und Terrorismus. Potenziale für die Terrorismusforschung“. Ausgehend von der These, wonach Religion von den meisten Terroristen für ihre Zwecke missbraucht wird, stellt Mathias Buhtz fest, dass solche Thesen die Prämisse zugrunde liegt, dass wir wissen, was mit beiden Begriffen (Religion, Terrorismus) gemeint ist. Mit Blick auf die Spätphilosophie L. Wittgensteins kann jedoch diese Prämisse, so der Autor, ebenso kritisiert werden.

Franziska Singer beschäftigte sich in ihren Vortrag mit dem Thema „Der Dschihad als Säule des Glaubens? – Strukturen politisch-religiöser Gewalt am Beispiel Jemaah Islamiyah (Indonesien)“. Anhand dieses Fallbeispiels ging die Autorin der Frage nach, in welchen Situationen es zureligiös legitimierten terroristischen Handlungen kommt. Diese Erkenntnis soll schließlich dazu dienen, Handlungsmöglichkeiten und Präventionsperspektiven für die Gegenwart zu eröffnen.

Harutyun Harutyunyan stellte in seinem sehr informativen Vortrag „Die Entstehung des (neuen) Nationalismus in Armenien & die Rolle der Religion“ die Geschichte des Staates Armenien und des armenischen Nationalismus in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen dar.

In seinem Beitrag „Suizidterrorismus avant la lettre? Der religiös-politische Konflikt und seine radikale Lösung in John Miltons Samson Agonistes (1671)“ beschäftigte sich Arata Takeda mit der literarischen Verarbeitung eines biblischen Stoffes, in der ein selbstmörderischer Massenmord gerechtfertigt und glorifiziert wird. Anhand dessen stellt er die Fragen, wie sich das Milton’sche Interpretationsangebot, das nicht zuletzt moralphilosophisch intendiert ist, zu den Fragen des interreligiösen Dialoges und der interkulturellen Verständigung verhält, und ob es einer diskursethischen Prüfung im Zeitalter der globalen Terrorismusbekämpfung standhalten kann?

Sabine Bergstermann beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem Thema „Terror, Recht und Freiheit – Die JVA Stuttgart-Stammheim als Ort und als Symbol der Auseinandersetzung zwischen Staat und RAF“. Anhand sowohl der Haftbedingungen der RAF-Angehörigen Gudrun Ensslin, Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Ulrike Meinhof in den Jahren 1974 bis 1977 sowie den Agitationsthemen und -mittel, derer sich die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder bedienten ging sie dabei der Frage nach, wie sich in den Jahren 1974 bis 1977 in der Öffentlichkeit eine Vorstellung der JVA Stuttgart-Stammheim entwickeln konnte, die teilweise in deutlichem Widerspruch zu den tatsächlichen Haftbedingungen der RAF stand.

In seinem Vortrag „Terrorismus und Risikokommunikation“ stellte Bernd Zywietz Terrorismus als einen Gegenstand der Risikokommunikation dar. Dabei zeigte er, wie sich die „klassische“ Risikokommunikation mit ihren Begriffen, Instrumenta­rien und Erkenntnisrepertoire für ein besseres Verständnis der Gefahr durch den internationalen Terrorismus generell eignet, welche Herausforderung und Erweiterung das Phänomen Terroris­mus für die Risikokommunikation bedeutet, wie sehr die Kommunikation entscheidender Faktor für die Konstitution und Konsequenz von Terrorrisiken selbst sein kann und welche weiteren hilfreichen und relevanten publizistikwissenschaftlichen Ansätze und Theorien aufgegriffen werden können, die im aufgeklärten Umgang mit dem medienvermittelten Terrorismus relevant sind.

Unter dem Thema „Vom Nietengürtel zum Bombengürtel. Der Terrorismus und die Inszenierung seiner jugendlichen Vorbilder“ sprach Sebastian Baden im Kontext einer Phänomenologie des Terrorismus über die Frage der äußeren Erscheinung des Terrorismus auf personeller Ebene und ging dabei folgenden Fragen nach: Wie sehen die Menschen aus, die ihr Leben im Kampf der Ideologien opfern? Wie kleiden sich die Wortführer und wie inszenieren sich Sympathisanten? Dabei untersuchte er die Begriffe vom „Langhaarigen Bombenleger“ über die chirurgischen Eingriffe im Gesicht einer jungen Palästinenserin, dem „rebel-chic“ von „Prada Meinhof“ clothing bis hin zum Wechsel vom weißen Gewand zum Tarnkostüm mit Maske.

Michael König sprach zum Schluss über „Poetik des Terrors. Darstellungen politisch motivierter Gewalt in deutscher Gegenwartsliteratur“ und gab einen Einblick in die reichhaltige belletristische Literatur aus den vergangenen Jahren.

Bericht auf den Seiten des Exzellenzclusters “Religion & Politik”
http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2010/feb/News_Workshop_Netzwerk_Terrorismusforschung.html