Bericht zum 1. Workshop des Netzwerk Terrorismusforschung (29.-30.06.2007, Berlin)

Bericht des ersten Workshops

Auf dem ersten Workshop für NachwuchswissenschaftlerInnen in der Terrorismusforschung des Netzwerk Terrorismusforschung, der vom 29.-30. Juni 2007 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfand, wurden verschiedene Forschungsprojekte präsentiert und diskutiert. Den thematischen Rahmen bildeten Fragen und Probleme aus dem Themenbereich Terrorismus und Terrorismusbekämpfung. Alle Beteiligten bewerteten den Workshop als äußerst gewinnbringend.
Ein nächster Workshop ist vom 18.-20. Januar 2008 in Münster geplant.

Vorträge

In seinem Beitrag “Just war? Der Anti-Terror-Krieg und die bellum iustum-Tradition” ging Josef Bordat (Marburger Forum / International Journal of the Humanities) der Frage nach, ob der „Anti-Terror-Krieg” vor dem Hintergrund des historischen bellum iustum-Topos als „gerechter Krieg” angesehen werden kann. Sein Blick richtete sich auf die Patristik (Augustinus), die Scholastik (Thomas von Aquin) und die Spanische Schule (Vitoria, Sepúlveda, Las Casas, Suárez), wobei Bordat insbesondere auf Kriterien für die Legitimationsfiguren „humanitäre Intervention” und „Selbstverteidigung” einging.
 
Liza M. Franke (Lehrstuhl Arabistik des Orientalischen Instituts in Leipzig), stellte ihre Arbeit zum Thema: Female Palestinian suicide bombers (istišhādiyāt) in political, social and cultural contexts vor. Dabei ging sie insbesondere auf die Glorifizierung der istišhādiyāt ein. Ihre These, dass die hinter den Anschlägen stehenden Organisationen, diese Frauen mittels Mythen und Symbolen diskursiv auf eine abstraktere Ebene erhöhen, untermauerte sie mit konkreten Beispielen und Material, das sie während ihrer Feldforschung in der Westbank und im Gazastreifen sammelte.
 
Der Beitrag von Sonja Glaab (Harvard / Brown University) beschäftigte sich am Beispiel des Konflikts zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem sozialrevolutionären Terrorismus der 1970er Jahre mit der häufig postulierten symbiotischen Beziehung zwischen Massenmedien und Terrorismus. Glaab ging der Frage nach, welche Rolle die bundesdeutschen Medien für die RAF in den 1970er Jahren spielten und inwieweit die Medien dieser Rolle gerecht wurden.
 
Anna Goppel (Universität Tübingen) stellte ihre Dissertation zum Thema “Gezielte Tötung von Terroristen. Eine Praxis, die sich rechtfertigen lässt?” vor. Dabei ging sie insbesondere auf die gezielte Tötung nicht-staatlicher Terroristen ein und diskutierte Rechtfertigungsansätze, die sich auf die These stützen, dass diese Praxis als legitimer Kriegsakt zu rechtfertigen sei.
 
Ass. iur. Jana Hertwig LL.M., (wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Völkerrecht, Recht der EU und Internationale Beziehungen der Juristischen Fakultät Dresden), gab einen Einblick in den derzeitigen Forschungsstand ihrer Doktorarbeit zum Thema “Die Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen im Rahmen der Europäischen Union“. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die im Dezember 2003 vom Europäischen Rat verabschiedete Proliferationsstrategie, mit der die EU erstmalig einen einheitlichen europäischen Ansatz im Hinblick auf die Bekämpfung der Proliferation verfolgt. Frau Hertwigs Forschung widmet sich der grundsätzlichen europa- und völkerrechtlichen Überprüfung der Strategie, der neuen Akteurin in diesem Bereich, der Persönlichen Beauftragten des Generalsekretärs und Hohen Vertreters für Fragen der Nichtverbreitung, sowie den seit der Annahme der Strategie unternommenen Umsetzungsschritten der EU.
 
Sebastian Lange (TU Dresden, Institut für Politikwissenschaft, Lehrstuhl Internationale Politik) stellte seine Arbeit zum Thema „Terroristische Kommunikation und fundamentalistischer Protest” vor. Seine Hauptthese war, dass Terrorismus eine beobachterrelative Kategorie ist, d.h. dass was als Terrorismus gilt, notwendigerweise nach sozialen Kontexten variiert. Der Grund dafür, dass etwa Staaten bevorzugt Terrorismus anstelle vergleichsweise vernachlässigter Weltprobleme beobachten, könnte darin liegen, dass die Verurteilung und Bekämpfung von Terrorismus das Ordnungsmodell Staat stärkt und mithin das internationale System der Staaten festigt. Ferner ließe sich die organisationstheoretisch hergeleitete Hypothese formulieren, dass auf Seiten des Terrorismus ein inhärenter Zwang zur Organisation besteht, was langfristig Mäßigung und Verhandlung erwarten lässt.
 
Daniel Meßelken (Institut für Philosophie der Universität Leipzig) setzte sich in seinem Beitrag “Überlegungen zum philosophischen Gewaltbegriff” mit der Frage auseinander, wie sich Gewalt philosophisch definieren lässt. Er stellte zunächst zwei bestehende, sich scheinbar widersprechende Ansätze hierzu vor und zeigte dann erste Ideen zur Zusammenführung dieser Konzeptionen auf. Ziel ist dabei die Erarbeitung eines Gewaltbegriffs, der die (i) vergleichende Betrachung verschiedener Formen gewaltsamen Handelns ermöglicht und (ii) den Rahmen für eine ethische Beurteilung solcher Fälle liefert.
 
Sophia Rost (Institut für Philosophie, Universität Potsdam) stellte ihren sozialphilosophischen Ansatz zur Analyse der Ursachen des islamistischen Terrorismus in westlichen Gesellschaften vor. Der Gegenstand ihres Vortrages war die Frage, warum meist junge Menschen, deren (Groß-)Eltern häufig aus arabisch-muslimischen Ländern nach Europa oder die USA migrierten, sich seit der jüngsten Vergangenheit derart radikalisieren, dass sie bereit sind, nicht nur das Leben von Zivilisten, sondern auch ihr eigenes im „Nahmen Allahs” aufs Spiel zu setzen. Da dies ein spezifisch modernes Phänomen darstellt, war die These des Vortrages, dass es anhand einer Theorie der Moderne analysiert werden kann. Jürgen Habermas hatte 1981 in seiner Theorie des kommunikativen Handelns eine solche Theorie entwickelt. S. Rost wendete sie auf das Phänomen des islamistischen Terrorismus an und zeigte, dass und wie dessen Ursachen mit dem kommunikationstheoretischen Ansatz, d. h. der alten und neuen Konflikte (Habermas) und der Fragmentierung der Lebenswelt analysiert werden können.
 
Anne Schwenkenbecher (Institut für Philosophie, Humboldt-Universität zu Berlin) ging in ihrem Beitrag „Terrorismus als philosophisches Problem” dem Problem der Definition von Terrorismus nach. Sie lieferte Argumente dafür, Terrorismus nicht auf Gewalt nicht-staatlicher Akteure gegen sogenannte Unschuldige zu beschränken, sondern darunter auch Gewalt staatlicher Akteure und Gewalt gegen sogenannte Schuldige fallen zu lassen. Zudem sei es charakteristisch für terroristische Akte, dass der Einsatz von Gewalt zielgerichtet ist und mittels der Verbreitung von Angst versucht werde, Akteure zu bestimmten Handlungen zu nötigen.
 
Robert Teltzrow (Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin) beschrieb in seinem Vortrag “Drogengewaltökonomien – Das Beispiel Kolumbien” die Zusammenhänge zwischen Schattenökonomien und Gewaltorganisationen. Zunächst bedarf es einer Erklärung was unter einer Drogenkriegsökonomie zu verstehen ist und welche Voraussetzungen die Verwicklung Kolumbiens im Drogenhandel erklären können. Die politischen, ökonomischen und militärischen Interessen der einzelne Gruppen müssen untersucht und die Frage geklärt werden, inwieweit es sich bei der FARC, der ELN und der AUC um terroristische Gruppen handelt oder vielmehr um Guerilla-Verbände in einem Bürgerkrieg.
 
Jens Wetzel (FB Internationale Politik, Technische Universität Chemnitz) referierte in seinem Vortrag „Scheitert der europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts an den Herausforderungen des internationalen Terrorismus? – Die Terrorismusbekämpfung der EU nach dem 11. September 2001” über die Frage, ob die EU bei der Bekämpfung des Terrorismus im Rahmen der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik ihren eigenen Standards bezüglich des Schutzes der Grundrechte und der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit gerecht wird. Sollte dies nicht der Fall sein, so die Hauptthese des Referates, besteht die Gefahr, dass der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – eines der zentralen Integrationsprojekte der EU – scheitert. Dies wäre mit Blick auf die terroristische Bedrohung, aber auch anderen Herausforderungen der inneren Sicherheit, ein schwerer Schlag für den Prozess der europäischen Integration.